Perspektiven
25 Jahre Halbjahresschrift
Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik
25. Jahrgang, Nr. 1-2 Herbst 2013ISSN: 0939-3420
Unser letztes Heft
Aus dem Inhalt:
Stefano Bottoni: Zögernde Spione. Die ungarische Staatssicherheit und Rumänien 1975-1989;
Klaus Popa: Karl Kurt Klein, die „Marburger Burse“ und deren Leiter Johann Wilhelm Mannhardt 1922-1939;
Björn Opfer-Klinger: Ein Friede, der keiner war. Der Vertrag von Athen und der griechisch-türkische Gegensatz 1913-1923;
Karl-Heinz Gräfe: Rechtsextreme und faschistische Organisationen der russländischen Emigranten in Deutschland 1920-1941;
Waldemar Schmidt: Die Frage der Russlanddeutschen in der deutschen Presseberichterstattung der Jahre 1929-1935;
Johann Böhm: Die Grundbesitzverteilung der deutschen Bevölkerung in Ungarn, dem serbischen und rumänischen Banat, in Siebenbürgen und Kroatien (Syrmien und Slawonien) Ende 1943;
Johann Böhm: Auszug aus dem Buchmanuskript „Vertriebenen Politiker mit NS-Vergangenheit im Südostdeutschen Kulturwerk München nach 1951 sowie rechtslastige Veröffentlichungen in den Südostdeutschen Vierteljahresblättern“;
Gerhard Velburg: „Rumänische Etappe. Der Weltkrieg, wie ich ihn sah“;
William Totok: Mit tückischer Durchtriebenheit. Durchsetzung der offiziellen Geschichts- und Kulturpolitik im national-kommunistischen Rumänien mit nachrichtendienstlicher Unterstützung;
Georg Herbstritt: Register für die Jahrgänge 20-24 (2008-2012)
25 Jahre Halbjahresschrift
Register für die Jahrgänge 1-25 (1989-2013)
Sonderdruck (8 € zzgl. Porto - Bestellungen hier)
Textprobe 1:
Zögernde Spione. Die ungarische Staatssicherheit und Rumänien 1975–1989
Stefano Bottoni
[...] In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wann und wie der ungarische Staatssicherheitsdienst - konkret: die Hauptverwaltung III/I des Innenministeriums, zuständig für Auslandsspionage - begann, sich mit der Informationsbeschaffung aus Rumänien zu befassen. Die uns zugänglichen Quellen legen die Schlussfolgerung nahe, dass die ungarischen Sicherheitsorgane – auch ohne besonderes politisches Interesse – allmählich alternative Kanäle schufen, um die innenpolitische Lage Rumäniens und die Situation der ethnischen Minderheiten dort genauer zu untersuchen. Für diese Arbeit mobilisierte man das in westlichen Ländern bereits gut ausgebaute Netzwerk an Informanten, zu dem auch der „loyale” Flügel der ungarischen Emigranten gehörte. Man nutzte aber auch den Informationsfluss zwischen den Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts: Anfang der 1980er Jahre bekam die ungarische Staatssicherheit mehrere wertvolle Informationen aus sowjetischen, bulgarischen, polnischen oder tschechoslowakischen Quellen. Bis 1988 setzte Ungarn dieses Instrument lediglich zu defensiven Zwecken ein. Erst 1989 ging man dazu über, im Dienste der sich wandelnden sozialistischen Regierung die Prinzipien und Methoden der aktiven Aufklärungsarbeit gegen ein anderes sozialistisches Land zu nutzen. Die Tätigkeit des ungarischen Staatssicherheitsdienstes (der formal als III. Hauptverwaltung des Ministeriums des Inneren firmierte) ist nur bis zum 13. Februar 1990 dokumentiert. Die Aktenlage bietet eine einzigartige Einsicht in den Informationsstand und die Pläne der späten Kádár-Regierung und der politischen Elite der Wende. Anhand der Akten wird sichtbar, welche Informationen aus der extrem abgeschotteten Ceauşescu-Regierung durchsickerten und welche Handlungsoptionen man diesbezüglich in Ungarn in Zeiten des politischen Umbruchs sah.[...]
(Vollständiger Text in der gedruckten Ausgabe der Halbjahresschrift)
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Textprobe 2:
„Rumänische Etappe. Der Weltkrieg, wie ich ihn sah“
Gerhard Velburg
Textprobe 3:
Mit tückischer Durchtriebenheit Durchsetzung der offiziellen Geschichts- und Kulturpolitik im national-kommunistischen Rumänien mit nachrichtendienstlicher Unterstützung (I)
William Totok
[...] Anhand der Securitateakten kann der Entstehungsprozess des Tagebuches [von Ana Novac] rekonstruiert werden. Gleichzeitig lassen sich anhand der Dokumente aber auch literaturhistorisch unbelegte Behauptungen widerlegen, wie beispielsweise die von Hans Bergel verbreitete Geschichte, in der er sich quasi als Pate des Tagebuches aufspielt. In einem Brief an Manfred Winkler vom 15. Dezember 2002 betont Bergel, er habe Novac „1969 oder 1970” überzeugt, ihre Aufzeichnungen zu veröffentlichen. Dabei waren diese zu jenem Zeitpunkt bereits in Ungarn, Deutschland und Frankreich erschienen:
„[...] Leider lernte ich Alfred Gong[1] nicht mehr kennen – als er aus Bukarest nach dem Westen ging, ich denke, das war 1946, trieb ich mich als Partisanenkurier[2] in den Südkarpaten herum. Margul-Sperber[3] erwähnte ihn oft mit Bewunderung. Die Bühnenautorin Zimra Míro (sic!), die als Ana Novac später von sich reden machte, lernte ich erst nachher kennen. Ich war 1969 oder 1970 längere Zeit in Paris ihr Gast – zum Dank dafür, dass ich ihr nach der Flucht aus Bukarest bei den ersten Einbürgerungsschritten geholfen hatte. Ich ermunterte sie, ihre Aufzeichnungen aus Theresienstadt (sic!), sei es im deutschen Original (sic!), sei es auf Französisch, zu veröffentlichen. Sie war, wie alle Juden dieses Kreises, ungewöhnlich gebildet, belesen, mitteilungsfreudig. Sie stammte aus Siebenbürgen und war in Kronstadt einige Male mein Gast – wir verstanden uns auf Anhieb. [...]“[4]
Die Geheimpolizei war hellhörig geworden, nachdem sie 1959 erfahren hatte, dass Novac an einem Tagebuch arbeitet. Ihr gesamter Freundes- und Bekanntenkreis erregte nun automatisch das Interesse der Securitate, darunter auch Magdalena Stroe (geb. 1925)[5], die an der Bukarester Universität marxistische Philosophie unterrichtete und die 1944 das Leben eines von der Deportation in ein Vernichtungslager bedrohtes jüdisches Mädchen gerettet hatte und dafür 2003 in Israel mit dem Titel einer „Gerechten unter den Völkern” geehrt wurde.[6] Ins Fadenkreuz der Securitate gerieten auch Freunde und Bekannte Novacs aus Klausenburg, das Ehepaar László Földes (1920-1973) und Mária Földes (1925-1976) sowie Csehi Gyula (1910-1976).[7] Der Literaturkritiker und Hochschullehrer László Földes war nach der ungarischen Revolution 1956 aus der Partei ausgeschlossen worden.[8] Seine relative Rehabilitierung erfolgte Mitte der 1960-er Jahre. Zeitweilig war er Chefredakteur der Zeitschrift „Utunk” (1956) und stellvertretender Chefredakteur der Bukarester Wochenschrift „A Hét” (1970). Seine Frau Mária, eine Überlebende des Holocaust, schrieb - wie Ana Novac - Theaterstücke, in denen sie das nie überwundene KZ-Trauma literarisch zu verarbeiten versuchte[9]. Sie folgte ihren nach Israel ausgewanderten Kindern und beging dort 1976 Selbstmord, indem sie sich aus dem Fenster eines Wohnblocks stürzte.[10]
[...]
[1] Alfred Gong (geb. 1920 in Czernowitz, Bukowina, Rumänien als Alfred Liquornik; gest. 1981 in New York), wurde während des militär-faschistischen Antonescu-Regimes, 1941 in ein Lager nach Transnistrien deportiert, nach dem Krieg Flucht in den Westen. Verfasser von Gedichten.
[2] Eine selbstgebastelte autobiografische Legende, die Bergel in den letzten Jahren in Umlauf brachte. Eine dieser wundersamen Partisanen-Geschichten veröffentlichte Bergel unter dem Titel, „Die Unbesiegbarkeit des Freiheitsgedankens. Zur Geschichte der Erzählung »Fürst und Lautenschläger«“, in: Hans Bergel, Das Spiel und das Chaos. Essays und Vorträge, Edition Noack & Block in der Frank & Timme GmbH, Berlin 2013, S. 177-195.
[3]Alfred Margul-Sperber (1898-1967), deutsch-jüdischer Dichter aus der Bukowina, 1954 mit dem Staatspreis ausgezeichnet. Margul-Sperber hatte sich 1955 den Anwerbungsversuchen der Securitate erfolgreich widersetzt. Einer seiner Freunde, Alfred Kittner, der in den Akten unter dem Decknamen „Leopold Ludwig“, „Lalu“, „Karol“ und „Karol Andrei“ auftaucht, wurde auf ihn angesetzt. Es gibt keinerlei Berichte von Kittner zu Margul-Sperber, die inkriminierende Äußerungen oder gar Denunziationen enthalten. – Siehe William Totok, „Drama scriitorului Alfred Kittner“ (Das Drama des Schriftstellers Alfred Kittner), Deutsche Welle, 16. Dezember 2010; ders., „Securitatea şi lumea scriitorilor din România“ (Die Securitate und die Welt der Schriftsteller Rumäniens), Radio France Internationale, 28. Februar 2011; ders., „20 de ani de la moartea unui poet bucovinean. Alfred Kittner (n. 24 noiembrie 1906 la Cernăuţi - m. 14 august 1991 Düsseldorf)“, (20 Jahre seit dem Tod eines Dichters aus der Bukowina. Alfred Kittner, geb. 24. November 1906 in Tschernowitz - gest. 14. August 1991 in Düsseldorf), Radio Free Europe, 17. August 2011. Siehe auch das von Oberleutnant der Securitate Nagy Tiberiu verfasste Anwerbungsprotokoll von Kittner vom 20. Dezember 1958 (ACNSAS, R 249557, vol. 1, Bl. 334-337).
[4] Manfred Winkler / Hans Bergel, Wir setzen das Gespräch fort… Briefwechsel eines Juden aus der Bukowina mit einem Deutschen aus Siebenbürgen, herausgegeben und mit einem Nachwort von Renate Windisch-Middendorf, Frank & Timme GmBH, Berlin 2012, S. 175. - Im Anschluss an diesen Absatz folgt ein völlig unerwarteter Wechsel des Themas, um einen Seitenhieb auf Eginald Schlattner in den Brief einzubauen: „Eine Kapazität wie der Germanist, Kunsthistoriker, Musikologe und Literaturkritiker Harald Krasser – Inhaber des Germanistik-Lehrstuhls in Klausenburg, Schüler der Koryphäen Wilhelm Pinder, Friedrich Gundolf, Hans Joachim Moser, ein unbestechlicher Geist – stellte das gelegentlich unumwunden fest. (Krasser wurde von der Securitate 1959 vom selben Mann ans Messer geliefert wie ich.)” – Zu diesem Problemkomplex siehe: William Totok, „Empathie für alle Opfer. Eginald Schlattner, ein Leben in Zeiten diktatorischer Herrschaft“, in: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, 24. Jg., Heft 1-2, 2012, S. 181-198.
[5] Siehe dazu die von "I. Dragomir" an seinen Führungsoffizier Oberstleutnant A. Olimpiu am 11. April 1963 übergebene ausführliche Charakterisierung von Magdalena Stroe (ACNSAS, I 264513, Bl. 80-81). Auf einen Brief an Magdalena Stroe, vom 19. Juli 2013, in der wir sie nach ihrem Verhältnis zu Novac fragten, erhielten wir am 14. September 2013 eine Antwort. Sie erklärte sich bereit, in einem Interview über ihre Erinnerungen an Ana Novac zu erzählen. Eine Anfrage an Lya Benjamin blieb leider bislang unbeantwortet.
[6]„Povestea româncei care și-a salvat prietena de la moarte sigură la Auschwitz” (Die Geschichte der Rumänin, die ihre Freundin vor dem sicheren Tod in Auschwitz gerettet hat), Digi24, 14. April 2012.
[7] Siehe u.a. den am 8. August 1963 von „Kovacs Peter“ verfassten Bericht, den er seinem Führungsoffizier Oberleutnant Florian Oprea in Klausenburg übergeben hat und in dem er auch auf inhaltliche Aspekte des Tagebuches von Ana Novac eingeht (ACNSAS, I 264513, Bl. 42).
[8] Siehe dazu die selbstkritischen Erinnerungen seines Freundes Ion Ianoşi, Internaţionala mea. Cronica unei vieţi, (Meine Internationale. Chronik eines Lebens), Polirom, Iaşi 2012, S. 380-381.
[9] Siehe zum Beispiel ihren Dreiakter „nach einer Idee von Romain Gary“, „Fata din baracă“ (Das Mädchen aus der Baracke), in: Teatrul, 19. Jg., Nr. 2, Februar 1974, S. 75-94.
[10] Ianoşi, a.a.O., S. 381.
(Vollständiger Text in der gedruckten Ausgabe der Halbjahresschrift)
Textprobe 4:
Karl Kurt Klein, die „Marburger Burse“ und deren Leiter Johann Wilhelm Mannhardt 1922-1939
Klaus Popa
Karl Kurt Klein (6.5.1897 – 10.01.1971), der einzige Universalgelehrte, den die Deutschen Siebenbürgens in der Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit aufzuweisen haben, entfaltete seine komplexe Tätigkeit als Publizist, Herausgeber, Pfarrer, Universitätslehrer und Kulturpolitiker in einer Zeit grundlegender Umwälzungen, die nicht nur das aus der frühen Moderne überkommene, noch tief von spätfeudalen Strukturen und Vorstellungen geprägte, in antagonistischen Blöcken organisierte europäische Staatensystem von Grund auf umkrempelten, sondern auch das Spannungsfeld lieferten für den revisionistisch-revanchistischen Nationalismus der alten imperialen Kernländer Deutschland, Österreich und Ungarn und den „neuen“ Nationalismus der durch den Versailler Vertrag zustande gekommenen mittel-, ost- und südosteuropäischen Staaten. Kleins Persönlichkeit und Tätigkeit war von eben diesen gegensätzlichen Koordinaten geprägt, wobei er seine deutschnational-konservative Ausrichtung, mit Ausnahme einiger, zumindest in der Korrespondenz mit Johann Wilhelm Mannhardt (1883-1969) gefallener antisemitischer Äußerungen, geradlinig bewahrte und grundsätzlich keiner Menschenfeindlichkeit oder nationalsozialistischen Extremismen verfiel. Klein war nämlich immer bereit, die zweite Dimension seiner Persönlichkeit, den intensiven und fruchtbaren Meinungs- und Werteaustausch mit den Nationalkulturen der Rumänen und Ungarn, wirksam werden zu lassen. [...]
(Weiter lesen in der gedruckten Ausgabe der Halbjahresschrift)
Textprobe 5:
Hanuš Kuffners Propagandaschrift ,Náš stát a světový mír‘ (1918) in der völkisch-deutschnationalen Rezeption der 1920er- und 1930er-Jahre (II)
Boris Blahak
Die zweite Phase der reichsdeutschen Rezeption: anti-tschechoslowakische Feindbild-Konstruktion im Rahmen der nationalsozialistischen ,Ostmark-Propaganda‘
Der ersten Phase gelegentlicher anti-tschechoslowakischer Referenzen auf ,Unser Staat und der Weltfrieden‘ folgte eine wesentlich aggressivere, in welcher Kuffner im politischen Schrifttum des Dritten Reiches zu einem der am häufigsten zitierten tschechischen Autoren avancieren sollte. Diese Phase setzte noch vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler ein, als dieser per Führerbefehl vom 19. Januar 1933 den programmatisch benannten ,Gau Bayerische Ostmark‘ durch die Zusammenlegung der bisherigen NSDAP-Gaue Oberfranken, Oberpfalz und Niederbayern „als Bollwerk gegen die Slawengefahr im bayerischen Osten“[1] schuf. Hitler nutzte dabei aus, dass sich der Mythos vom ,bedrohten Grenzgebiet‘ bereits ein Jahrzehnt im kollektiven Gedächtnis der Region etabliert hatte und nun für seinen Revisionismus gegen die ČSR instrumentalisiert werden konnte, wobei er auf die bereits ausgebildeten Strukturen der Ostmark-Propaganda im staatlich-administrativen, wissenschaftlichen, medialen und privat organisierten Bereich zurückgriff. Der nationalpolitische Verständigungsbegriff verfestigte sich somit (zunächst noch parteiintern) zu einer verwaltungstechnischen Gebietsbezeichnung. [...]
[1] Adolf Hitler: Verfügung 1/33, 19.1.1933, in: Verordnungsblatt der Reichsleitung der NSDAP 40 (1933).
(Fortsetzung in der gedruckten Ausgabe der Halbjahresschrift)
Textprobe 6:Die Grundbesitzverteilung der deutschen Bevölkerung in Ungarn, dem serbischen und rumänischen Banat, in Siebenbürgen und Kroatien (Syrmien, Slawonien) Ende 1943
Johann Böhm
[...] Wie in anderen Ländern, z. B. Rumänien, bildeten sich auch innerhalb der deutschen Minderheit in Jugoslawien 1932 erste Ansätze einer nationalsozialistischen Strömung heraus, die auf einen Kreis junger Akademiker in der „Deutschen Lehrerbildungsanstalt“ von Groß-Betschkereck zurück geht. Zu diesem Kreis gehörten Dr. Sepp Janko, Dr. Adam Krämer und Dr. Josef Trischler. Dieser Kreis, der auch innerhalb des SDKB tätig war und in der Wojwodina die nazistische „Erneuerungsbewegung“ gründeten, übten nach 1933 ein scharfe Kritik an der Führung des Kulturbundes. 1938 kam es dann zum offenen Machtkampf, der dann im Frühjahr 1939 mit Hilfe der „Volksdeutschen Mittelstelle“ (VoMi)b – Himmlers SS-Organisation – in Berlin, zugunsten der NS-Erneuerer um Sepp Janko entschieden wurde. Die NS-Erneuerungsführung mit Sepp Janko an der Spitze übernahm die Grundsätze des nationalsozialistischen „Volksgruppenrechts“ und leitete gemäß den Weisungen aus Berlin die „Gleichschaltung“ der deutschen Organisation in Jugoslawien ein. Nach der Zerschlagung Jugoslawiens im April 1941 entstand für die Deutschen in Jugoslawien eine neue Situation. Die Deutschen in der Batschka und in der Baranja kamen an Ungarn und unterstanden der dortigen NS-Volksgruppenführung des Franz Basch, die Deutschen im serbischen Banat das ebenso wie Serbien von Nazi-Deutschland besetzt wurde, erhielten eine selbständige NS-Organisation unter Sepp Janko. Die deutsche Bevölkerung im „Unabhängigen Staat Kroatien“, der außer Kroatien-Slawonien und Ost-Syrmien auch ganz Bosnien und die Herzegowina umfasste, wurde zu einer eigenen Volksgruppe unter NS-Volksgruppenführer Branimir Altgayer zusammengefasst. Der nördliche Teil Sloweniens fiel an das Deutsche Reich. Die Deutschen im serbischen Banat und im kroatischen Satellitenstaat erlangten während des Krieges eine privilegierte Stellung und bildeten eine Art „Staat im Staate“.
Durch den freiwilligen oder erzwungenen Eintritt der wehrfähigen Männer in die Waffen-SS (SS-Division „Prinz Eugen) und deren Einsatz zur Bekämpfung der Partisanenverbände sowie die bedingungslose Mitwirkung der Volksgruppenorganisation bei der Stärkung der nationalsozialistischen Herrschaft und Kriegswirtschaft, unterstützte die deutsche Bevölkerung – gewollt oder ungewollt – die Unterdrückungsmaschinerie des Hitler-Regimes und seiner Kollaborateure und zog so den Hass der Verfolgten auf sich; die Stunde der Rache der Tito-Partisanen folgte dann Ende 1944 und Anfang 1945. [...]
(Ganzer Text in der Druckausgabe der Halbjahresschrift.)
Die Frage der Russlanddeutschen in der deutschen Presseberichterstattung der Jahre 1929-1935
Waldemar Schmidt
(Ganzer Text in der Printausgabe der Halbjahresschrift)
Textprobe 8:
Rechtsextreme und faschistische Organisationen der russländischen Emigration in Deutschland (1920-1941)
Karl-Heinz Gräfe
Zu den charakteristischen ideologischen Strömungen, politischen Bewegungen und Parteien wie Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten, Liberale und Konservative gehören seit dem beginnenden 20. Jahrhundert auch extreme Nationalisten und Faschisten. In einer Reihe von Staaten vor allem auf dem europäischen Kontinent errichteten sie auch ein politisches Herrschaftssystem wie in Italien, Deutschland, Spanien, Portugal, Ungarn, Rumänien, Kroatien, Griechenland oder in der Slowakei. Ich verwende für diese völkisch-rassistische rechtsextreme Ideologie, Bewegung und Herrschaftsform die Gattungsbezeichnung Faschismus, obwohl sich dieser Begriff im engeren Sinne auf die italienische Ursprungsform bezieht. Der deutsche Faschismus (ich verwende nicht den Begriff „Nationalsozialismus“, denn der Nazifaschismusist weder sozialistisch noch national, sondern ist ein nationalistisch-rassistisches und diktatorisches Gesellschaftssystem auf der Grundlage von privat- und staatskapitalistischemEigentum) war eine, wenn auch nicht typische nationale Form des Faschismus, sondern eher der „extremste Ausdruck des generischen Faschismus und das einzige vollständige faschistische Regierungssystem.“[1]
[1] Stanley G. Paine: Geschichte des Faschismus 1914-1945, München 1995, S. 570; vgl. auch Jerzy W. Borejsza: Schule des Hasses. Faschistische Systeme in Europa, München 1999; Robert O. Paxton: The anatomy of fascism, London 2004.
(VollständigerText in der Printausgabe der Halbjahresschrift)
Textprobe 9:
„Vertriebene Politiker mit NS-Vergangenheit im Südostdeutschen Kulturwerk München nach 1951 sowie rechtslastige Veröffentlichungen in den Südostdeutschen Vierteljahresblättern“
Johann Böhm
(Auszug aus dem Buchmanuskript)[...] Aus einem Schreiben des Literaten und späteren Mitherausgebers und Autors der Südostdeutschen Vierteljahresblätter Heinrich Zillich an Will Vesper geht hervor , wie man sich entlastende Gutachten verschaffen konnte. Wegen seines Führergedichtes „Den Deutschen von Gott gesandt“ erhielt Zillich die Anklage der Spruchkammer, in der man ihm mitteilte, dass man ihn wegen seines „späten Parteieintritts“ bloß als „Mitläufer“ einstufen würde. Da er aber ein Gedicht „zur Verherrlichung Hitlers geschrieben habe“, würde man seine „Einstufung in die zweite Klasse der Entnazifizierung“ fordern . Im gleichen Schreiben bat Zillich Vesper, ihm einen unbelasteten Literaturhistoriker zu nennen, den er um ein literarisches Urteil über sein Führergedicht bitten könnte. Ob Zillich ein derartiges Urteil erhielt, konnte nicht ermittelt werden. [...]
Vertriebenenpolitiker mit NS-Vergangenheit im Südostdeutschen Kulturwerk
Prof. Dr. Friedrich Valjavec
Friedrich Valjavec wurde am 26. Mai 1909 in Wien als Sohn eines österreichischen Beamten in Agram (Zagreb) geboren und starb am 10. Februar 1960 in Prien am Chiemsee. Er wuchs in Werschetz (Banater Kleinstadt) auf. Ab 1919 lebte er in Budapest und absolvierte hier 1930 die Reichsdeutsche Oberrealschule. In dieser Zeit knüpfte er Kontakte zu den führenden Politikern der Deutschen in Ungarn, Jakob Bleyer und Edmund Steinacker. 1930 zog seine Familie nach Wien und im November des gleichen Jahres treffen wir ihn als Student in München an, wo er an der Universität Geschichte studierte und 1934 bei Prof. Karl Alexander von Müller promovierte. Seit 1932 war Valjavec Mitarbeiter des im Jahre 1930 gegründeten Südost-Instituts. Nach der Promotion wurde er hauptamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut. Während seines Universitätsstudiums spezialisierte er sich auf Geschichte und Landeskunde Südost-europas. 1935 erhielt er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein Stipendium, um die Geschichte der Deutschen im Südosten von 1780 bis 1918 zu entwerfen und wurde damit Mitarbeiter des Südost-Instituts. 1938 ernannte man Valjavec zum Geschäftsführer des Südost-Instituts in München und 1943 zum stellvertretenden Leiter. Bis 1941 war er jugoslawischer Staatsangehöriger , am 10. Juni 1941 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft.
Die Aufgaben des Südost-Instituts waren neben der Betreuung der deutschen Volksgruppen in Südosteuropa auch die historisch-geographische Erforschung dieses Raums. Eine wichtige Rolle spielte dabei die seit 1936 herausgegebene Zeitschrift des Instituts Südostdeutsche Forschungen, die 1940 in Südostforschungen umbenannt wurde. Besonders wichtig ist hier der Standpunkt Valjavecs, der der Meinung war, in der Zeitschrift müsse man die Wechselwirkung zwischen der geistigen und wirtschaftlichen Überlegenheit der deutschen Siedler in diesem Raum und des sie umgebenden Volks- und Kulturbodens besonders hervorheben, um so die Aufbausendungen der deutschen Siedlungen im Südosten zu verdeutlichen. Interessant ist die Bemerkung Fahlbuschs zu Valjavecs Promotionsarbeit Der deutsche Kultureinfluss im nahen Südosten (Bd. 1, München 1940), der er „diskursive Überinterpretation“ anlastet. Die südostdeutsche Forschungsgemeinschaft von Fritz Valjavec betreibe aus tiefster Überzeugung „Volkstumsforschung“, die sich durch „das Gleichsetzen massenhaften individuellen Handelns“ auszeichne, „was sowohl bei den Darstellungen der Ansiedlungsphase als auch bis in die Gegenwart hinein deutlich“ werde. „Den Einwanderern wurde nicht nur durch die leidvollen Pionierleistungen eine Art höherwertige Einheit bescheinigt, sie erfüllten darüber hinaus auch eine kulturhistorische Mission, die Fritz Valjavec direkt mit der Allegorie des ‚Volks- und Kulturbodens‘ definierte: ‚Aus menschenleerem, verödetem und versumpftem Gebiete schuf deutscher Hände Fleiß einen blühenden Kulturboden, der für die übrigen Gebiete beispielgebend war‘. Und ‚entsprechend seiner natürlichen Überlegenheit‘ wurde das ‚deutsche Element [...] für die umwohnende Bevölkerung Lehrmeister in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht.“ Mit Recht meint Fahlbusch, dass hier „eine diskursive Überinterpretation“ Valjavecs vorliege, „dessen nationalistische Konstruktionen unmittelbar mit seinen eigenen Wertvorstellungen gekoppelt“ seien. Daraus ergibt sich für Valjavec die Schlussfolgerung, dass man sich um diese zur deutschen Volksgemeinschaft zählenden Südostdeutschen kümmern, sie finanziell und ideologisch unterstützen müsse und ihnen einen besonderen Volksgruppen-Status in den Wohnstaaten einräumen müsse. [...]
(Auf diesen Text mussten wir aus Platzgründen in der der Halbjahresschrift... 1-2, 2013, verzichten.)
Textprobe 10:
Ein Friede, der keiner war. Der Vertrag von Athen und der griechisch-türkische Gegensatz 1913-1923
Björn Opfer-Klinger
[...] Auch die griechischsprachigen, orthodoxen Eliten im Osmanischen Reich sahen sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts in erster Linie als hellenische Untertanen des osmanischen Sultans. Mit der einfachen Vorstellung vieler griechischer Nationalisten, alle orthodoxen Christen im ägäischen Raum seien Teil einer imaginären griechischen Nation, konnten sie wenig anfangen. Das lag nicht zuletzt daran, dass der oligarchische, wirtschaftlich instabile griechische Staat wenig Anziehungskraft ausübte. Stattdessen zählten viele griechisch-orthodoxe Händler und Unternehmer zu den Gewinnern der sich verändernden wirtschaftlichen Verhältnisse im Osmanischen Reich. Sie kontrollierten zumeist den osmanischen Außenhandel im östlichen Mittelmeer, im Schwarzen Meer und auf der Donau. Die wachsende Präsenz ausländischer Gesellschaften und Konzerne aus den westeuropäischen Industriestaaten eröffnete vielen hellenischen Geschäftsleuten eine lukrative Zusammenarbeit als Subunternehmer, Bankiers oder Zulieferer für Exportprodukte. Auf diese Weise etablierte sich im Osmanischen Reich ein selbstbewusstes hellenisches Bürgertum. Dieses stellte die osmanische Herrschaft ebensowenig in Frage wie die vielen islamisierten Hellenen auf den ägäischen Inseln, die dort wiederum oft die gesellschaftliche Oberschicht bildeten. Größere Anziehungskraft entwickelte der griechische Nationalismus erst Ende des 19. Jahrhunderts unter den Verlierern der wirtschaftlichen Krise des Osmanischen Reiches in Makedonien, Thrakien und Kleinasien. [...]
(Weiter lesen in der Halbjahresschrift)
Aktualisiert, 12. 12. 2013, 18:31 h